Mittwoch, 26. Juni 2024

Das Produktivitätsparadox

Kein Zweifel, uns geht es gut, zumindest wirtschaftlich. Doch möglicherweise trügt der Schein. Die Arbeitsproduktivität, das heisst die Wertschöpfung pro Arbeitsstunde stagniert seit 2018, klammert man den besonders produktiven Sektor Chemie/ Pharma aus ist sie gar rückläufig. Das es uns trotzdem so gut geht verdanken wir unserem Fleiss, und dem der zugezogenen neuen Mitbürgeinnen und -bürger. Konkret hat die Schweiz eine ungewöhnlich hohe Partizipationsrate (Anteil der Arbeitnehmer an der Gesamtbevölkerung), es herrscht Vollbeschäftigung (Arbeitslosenquote aktuell 2,3%) und wir erbringen vergleichsweise viele Arbeitsstunden.

 

Oder anders formuliert, die Schweizer Wirtschaft ist ein wahres Beschäftigungswunder, wir schaffen schneller zusätzliche Arbeitsstellen als wir diese mit heimischen Arbeitskräften besetzen können. Dies geht, der Personenfreizügigkeit sei Dank gut, das heisst wir bedienen uns schadlos im 50X grösseren EU-Arbeitsmarkt und können dies – da die EU selber nicht genügend neue Arbeitsplätze schafft – tun ohne eine schädliche Lohn-/ Preisspirale in Gang zu setzen. Doch wie lange noch?

 

Die Schweiz bleibt trotz eines hohen Lohnniveaus konkurrenzfähig, da die Lohnnebenkosten vergleichsweise tief sind,und der Staat (wie lange noch?) im Vergleich zum Auslandrelativschlankgebliebenistund wir uns niedriger Steuern erfreuen dürfen.

 

Eine Steigerung der Arbeitsproduktivität wäre eine Möglichkeit den Wohlstand zu wahren ohne so viel zu arbeiten und jedes Jahr mehrere Zehntausend zusätzliche Arbeitskräfte zu importieren. Sie ist allerdings nicht umsonst zu haben, das heisst das Management müsste flexibler werden, öfters umdisponieren und bei sich abzeichnenden Personalengpässen improvisieren. Auch wir als Kunden und Bürger wären gefordert, wir müssten Wartezeiten und längere Wege akzeptieren, weil nicht mehr so grosszügig bemannt würde, der gleiche Grossverteiler nicht mehr im Abstand von ein paar Hundert Meter zwei Filialen mit dem exakt gleichen Warenangebot und den gleichen Preisen betreiben würde. Analog bei staatlichen oder halbstaatlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Pflege, alsowarten beim Arzt, oder warten auf die OP (ausser sie sei dringend angezeigt) und ein Zurückstecken bei den Erwartungen was uns alles (Kraft Gewohnheit) zusteht.

 

Arne Tvedt

Vizepräsident GLP Kanton Zug