Der Vorschlag des Zuger Bildungsrats, eine Übertrittsprüfung für das Langzeitgymnasium einzuführen, beschäftigt insbesondere Eltern und Jugendliche stark. Aus diesem Grund haben wir Grünliberalen ein öffentliches Podium organisiert, das auf reges Interesse stiess.
Bildungsdirektor Stephan Schleiss argumentierte da, dass ohne Prüfung besonders Jugendliche aus privilegierten Haushalten auch mit relativ tiefen Leistungen ans Gymnasium drängen und das Niveau senken würden. Die Prüfung würde Lehrpersonen in der Diskussion mit diesen Eltern unterstützen und gleichzeitig Jugendlichen aus nichtakademischen Familien helfen. Marcel Güntert, Co-Präsident des Initiativkomitees gegen die Übertrittsprüfung, bezweifelt aufgrund der Erfahrungen mit Nachhilfekursen und privaten Gymnasien in Zürich diesen Effekt.
Meines Erachtens ist es verständlich, aber sehr bedauerlich, dass viele Eltern eine so konkrete Vorstellung davon haben, welches der beste Weg für ihre Kinder sei. Auch wenn meine Eltern heute eine Einflussnahme abstreiten würden, war mir klar, dass eine Berufslehre in den Augen meines Umfelds das bevorzugte Modell war. Weil meine Schwester und mein Cousin als «nutzlose Akademiker» am Familienfest belächelt wurden, wollte ich trotz guter Leistungen auf jeden Fall in die Sek.
Im Austausch mit Vertretern der Zuger Primar- und Kantonsschulen wird klar, dass wir aktuell ein sehr gut funktionierendes System haben. Die Drop-out-Quote an der Kantonsschule Zug ist sehr niedrig, die Erfolgsquote beim Bachelorabschluss ist sehr hoch, und die Studienabgänger sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Mit der baldigen Eröffnung des Kurzzeitgymnasiums in Rotkreuz wird unsere Bildungslandschaft noch ausgewogener, denn bisher gab es diese Option erst in Menzingen. Das wird vielen Schülerinnen und Schülern das Übertrittsverfahren und die Entscheidung für die Sekundarschule erleichtern.
Eine Übertrittsprüfung, die viel Stress für eine Höchstleistung zu einem bestimmten Stichtag verursacht, erscheint in dem Kontext als eher unpassendes Instrument. Wichtiger und effizienter sind hingegen Durchlässigkeit, Beispiele von erfolgreichen Karrieren ohne gymnasiale Matura sowie attraktive Angebote und Anreize aus der Wirtschaft. Beim Übertritt geht es um das Wohl und die Entwicklung der Jugendlichen auch im Hinblick auf das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit. Ich entschied mich damals für das KV und fand die Arbeit im Team von Anfang an sehr erfüllend – endlich sah ich den Nutzen meiner Leistung. In der modernen Arbeitswelt fand ich stets neue Herausforderungen und Weiterbildungsmöglichkeiten. Wäre mein Leben besser, wenn ich damals ans Gymnasium gegangen wäre?
Ob mit oder ohne Übertrittsprüfung, eines ist klar: Wir diskutieren, als wäre dieser Übertritt der entscheidende Moment im Leben der Jugendlichen. Doch in der Schweiz gibt es viele Wege zum Erfolg, und alle Jugendlichen sollten die Möglichkeit haben, ihren eigenen Weg zu finden, der dem eigenen Lebensentwurf gerecht wird. Ob Berufslehre oder akademische Laufbahn – am Ende zählt, dass alle einen passenden Platz in der Gesellschaft finden und etwas tun, was sie erfüllt. Dann ist der Erfolg vorprogrammiert.
Tabea Estermann
Kantonsrätin und Präsidentin GLP Kanton Zug