99 Personen haben sich für die Nationalratswahlen am 22. Oktober in Zug aufstellen lassen – so viele wie noch nie. Die drei Bisherigen treten alle wieder an.
Nicht im Nationalrat vertreten ist bislang die Zuger GLP. Parteipräsidentin und Kantonsrätin Tabea Estermann soll das ändern. Die Grünliberale hat sich viel vorgenommen: Klima, Energie, Digitalisierung, EU. Mit letzterer will sie ein Rahmenabkommen schliessen, auch einen EWR-Beitritt kann sich Estermann vorstellen.
Nau.ch: Tabea Estermann, was sind Ihre politischen Schwerpunkte?
Tabea Estermann: Als Grünliberale ist mir die Kostenwahrheit im Zusammenhang mit dem Klima und der Biodiversität sehr wichtig. Dazu gehört auch die Versorgungssicherheit mit sauberen erneuerbaren Energien. Gerade die Digitalisierung (Smart Grids) ermöglicht Effizienz und schafft Chancen bei der dezentralen Energieproduktion und -speicherung.
Mir ist besonders wichtig, dass unsere Gesetze dem Wohlbefinden und Wohlstand der Bevölkerung und der Volkswirtschaft als Ganzes dienen, statt nur gewissen Branchen oder Interessensgruppen. Ich sehe Geschäftsmodelle, Wettbewerb und eine gute Zusammenarbeit mit der Europäischen Union mit einem Rahmenabkommen als Chance für die Schweiz.
Nau.ch: Sie wehren sich gegen eine Politik des Stillstands. Was wollen Sie im Nationalrat in vier Jahren erreichen, sollten Sie gewählt werden?
Tabea Estermann: Es braucht die Einführung der Individualbesteuerung, bezahlbare Kita-Plätze und eine paritätische Elternzeit, um Eltern eine Pensumserhöhung zu ermöglichen. Wir müssen schneller digitalisieren. Die Fax-Meldungen während der Corona-Pandemie haben unseren Rückstand bei der Digitalisierung aufgezeigt.
Statt Papierkrieg braucht es einfache Online-Formulare und Apps. Die elektronische Identität (E-ID) und das elektronische Patientendossier sind rasch, datensparsam und -sicher einzuführen. Zugang zum europäischen Wirtschaftsraum, zu Bildung und zu Forschung soll mit einem Rahmenabkommen oder einem EWR-Beitritt gesichert werden.
Nau.ch: Wie gross ist Ihr Wahlkampfbudget?
Tabea Estermann: Ich habe kein eigenes Wahlkampfbudget. Wir haben von den Grünliberalen Kanton Zug für den gesamten Wahlkampf 8000 Franken zur Verfügung.
Nau.ch: Was motiviert Sie dazu, für den Nationalrat zu kandidieren?
Tabea Estermann: Ich war schon immer voller Tatendrang und finde, jeder soll mit anpacken, wo er kann. Anstatt mich zu beklagen, dass die Politik alles falsch macht, will ich selbst meinen Beitrag leisten. Oft sieht ein Sachverhalt am Anfang einfach aus, aber wenn man sich mit den verschiedenen Perspektiven auseinandersetzt, merkt man, dass es sehr vielschichtig ist. Da braucht es viel Brainpower und Menschen aus allen Alters- und Bevölkerungsschichten, um gemeinsam die passenden Lösungen zu formulieren. Ich will ein Teil von diesem deliberativen Prozess im Parlament sein.
Nau.ch: Was wollen Sie den Wählern sonst noch mitteilen?
Tabea Estermann: Keine Politikerin und keine Partei ist perfekt. Ich empfehle allen, die unschlüssig sind, wen zu wählen, nicht nur auf ein spezifisches Thema zu schauen, sondern den Wertekompass der Partei und der Personen zu betrachten. In einem Parlament wird nicht nur ein Thema bearbeitet, sondern etliche unterschiedliche Vorlagen beschlossen. Eine Person oder Partei mit einer ähnlichen Wertehaltung wird am ehesten auf eine Entscheidung in deinem Interesse hinarbeiten.
Zur Person
Tabea Estermann ist Präsidentin der GLP Kanton Zug und Kantonsrätin. Die 30-jährige Wirtschaftsprüferin arbeitet als Controllerin in der Elektrizitätswirtschaft. In ihrer Freizeit spielt Estermann Badminton und joggt am Zugersee entlang oder auf den Zugerberg.