Freitag, 29. September 2023

Der Arzt als Avatar

Die Schweiz braucht Lösungen, um die Kosten des Gesundheitssystems zu senken. Ein Ansatz wäre die Digitalisierung. Ein Gastbeitrag von Joëlle Gautier.

Chatbot-Triage zur Vorabklärung, ob ein Besuch in der Notaufnahme, eine Beratung zur Erstversorgung oder eine Nachsorge erforderlich ist oder ein Avatar, der bei chronischen Erkrankungen die Patienten zu Hause unterstützt – im ersten Moment mögen solche Ideen abschreckend klingen.

 

Doch nachdem auch im nächsten Jahr das Krankenkassen-Prämien-Karussell wieder in luftige Höhen schwingt, dürften die steigenden Kosten für die Grundversicherung bei manch einem Versicherten zu einer akuten Dysthymie oder anhaltenden Hypertonie führen. Bei einer erwarteten Inflation von 1,5 Prozent gemäss SECO liegt die durchschnittliche Teuerung im Gesundheitsbereich mit 8,7 Prozent fast sechsmal höher als für Konsumgüter.

 

Der Bund versucht dieser Entwicklung zwar mit eilig geschnürten Kostensenkungspaketen entgegenzuwirken, bis anhin jedoch mit homöopathischer Wirkung. Doch die Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes sieht einen Experimentierartikel vor, der es Kantonen ermöglicht, selbst innovative Projekte zu pilotieren, um die Qualität im Gesundheitswesen zu stärken und die Digitalisierung zu fördern.

 

Der Kanton Zug hat bis anhin keine entsprechenden Projekte aufgegleist, obschon wir mit dem eMediplan und der elektronischen Identität Zuglogin bereits gute Voraussetzungen für digitale Projekte im Gesundheitswesen vorweisen können.

 

Das Beratungsunternehmen McKinsey schätzt, dass die Schweiz durch Digitalisierung im Gesundheitswesen pro Jahr 8,2 Milliarden Franken einsparen könnte – immerhin 11,8 Prozent der gesamten Kosten. Leider befindet sich die Schweiz, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitsbereich geht, trotz exzellenter Ausbildung, eines starken Pharmastandorts und einer lebendigen Start-up-Szene im Bereich Digital Health im digitalen Delirium.

 

Im Digital-Health-Index-Ranking der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2018 liegt die Schweiz beim Digitalisierungsgrad, denn auch nur auf Platz 14 von 17 Ländern – und dies, obschon wir uns das teuerste Gesundheitswesen weltweit leisten.

 

Was also können wir von anderen Ländern lernen?

In Schweden nutzen bereits 17 Prozent der Bevölkerung die Möglichkeit digitaler Sprechstunden. 2020 wurden dort rund neun Prozent aller Sprechstunden digital durchgeführt. In den Niederlanden verfügen 75 Prozent der Krankenhäuser über Technologien, um Patienten aus der Ferne zu überwachen bei Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), chronischen Darmerkrankungen und Diabetes.

 

Gemäss Studie von McKinsey bieten gerade solche Fernkonsultationen sowie die Chatbot-Triage neben einer Fernüberwachung von chronisch Erkrankten den grössten Hebel, um die Kosten einzudämmen, ohne die medizinische Versorgung einzuschränken.

 

Der Kanton Zug könnte in diesen Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen und mit interessierten Leistungserbringern ein entsprechendes Angebot im Rahmen des Experimentierartikels pilotieren. Dies könnte nicht nur Ärzte und Pflegepersonal von unnötiger Administration entlasten, sondern auch die Patientensicherheit erhöhen dank regelmässiger und kostengünstiger Überwachung von Vitalparameter wie Puls, Blutzucker, Blutdruck aus der Ferne.

 

Die Schweiz braucht neue Wege in der Gesundheitsversorgung: Die Digitalisierung kann ein Lösungsansatz sein, den wir mutig angehen sollten.