Ende August kommunizierte Bundesrat Albert Rösti, dass die Landesregierung die Aufhebung des bestehenden AKW-Neubauverbotes im Rahmen eines Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Blackout stoppen» prüfe. Seit diesem Entscheid gewinnt die Diskussion rund um das Bauverbot an Boden und die Befürwortenden der Atomkraft-Rehabilitierung werden immer lauter. Doch diese Debatte ist in keiner Hinsicht zielführend. Denn ein Ausbau der Kernkraft ist aktuell weder sinnvoll noch realistisch.
Erstens sind die Kosten für den Bau neuer Atomkraftwerke enorm hoch. Gemäss Axpo CEO, Christoph Brand, ist die Wirtschaftlichkeit neuer Kernkraftwerke in der Schweiz nicht gegeben. Die Stromgestehungskosten eines Kernkraftwerkes sind deutlich höher als die einer Solar- oder Windanlage. Einzig ein noch nie dagewesenes Subventionspaket würde die Stromkonzerne zum Bau neuer Werke verleiten. Das wissen auch die AKW-Befürwortenden. Das Geld wollen sie dem jährlich mit 1,3 Milliarden Franken bestückten Fonds für den Ausbau der erneuerbaren Energien entnehmen. Und dies, obwohl sich das Volk mit der Annahme des Stromgesetzes erst kürzlich für deren Ausbau aussprach. Wenn man bedenkt, dass ein neues Kraftwerk bis zu 20 Milliarden Franken kostet, dürfte dann wohl kaum etwas für die Erneuerbaren übrig bleiben.
Zweitens rechnet man heutzutage mit mehreren Jahrzehnten für die Planung und den Bau eines neuen Atomkraftwerkes. Neue Kernkraftwerke können demnach gar nicht genügend früh einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Das Risiko, dass sich die politische und gesellschaftliche Meinung während der Projektrealisierung wieder verändert, ist dadurch ebenfalls sehr hoch. Neben dem Kostenpunkt zeigen grosse Stromkonzerne auch wegen dieser mangelnden Planungssicherheit kein Interesse für Ausbaupläne.
Weitere Argumente gegen den Ausbau der Atomenergie sind zahlreich. Sie reichen vom fehlenden Endlager und dem Risiko einer Atomkatastrophe über die Abhängigkeit von nicht erneuerbarem Uran bis hin zur mangelhaften Vereinbarkeit des nicht flexibel steuerbaren Atomstroms mit dem zukünftigen Energiemix der Schweiz.
Der Bau neuer Kernkraftwerke ist aktuell realitätsfern. Daher ergibt auch die Diskussion um die Aufhebung des Technologieverbotes keinerlei Sinn. Das 2017 vom Volk beschlossene Nein zu neuen Atomkraftwerken gilt es erst zu überdenken, wenn die Technologie der Kernfusion spruchreif und der Bau neuer Atomkraftwerke wieder lukrativ ist. Bis dahin lenkt die Debatte vom wirklich Wichtigen ab – dem dringlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn die Technologieverbotsdiskussion vereinnahmt den Raum, den es bräuchte, um die mittlerweile skalierbaren Erneuerbaren zu fördern.
Die Schweiz gehört beim Ausbau der Sonnen- und Windenergie noch immer zu den Schlusslichtern in Europa. Atom-Nostalgiker sorgen dafür, dass dies so bleibt. Das ist inakzeptabel und verantwortungslos. Denn unsere zukünftige Versorgungssicherheit muss Priorität vor rein parteistrategischen Interessen haben.
Elaine Schnider, Mitglied JGLP Kanton Zug, Co-Präsidentin der GLP Cham