Sonntag, 20. Februar 2022

Ein nüchterner Tunnelblick

Er liegt wieder auf dem Tisch, der Umfahrungstunnel in Unterägeri. Auch wenn er auf den ersten Blick verheissungsvoll erscheint, sollten wir nicht gleich dem Tunnelblick verfallen, sondern nüchtern die konkreten Vor- und Nachteile gegenüberstellen.

Da die Kantonsfinanzen aktuell im dunkelgrünen Bereich sind, stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Umfahrungstunnel in Unterägeri in den nächsten Jahren tatsächlich gebaut werden könnte. Noch ist nicht klar, wieviel dieser Tunnel kostet, wie lange die Realisierung dauert und vor allem wie viel Verkehr er wirklich schlucken wird.

 

Klar ist, dass ein Tunnel eine Verkehrsentlastung auf der Hauptstrasse sowie eine attraktivere Zentrumsgestaltung ermöglicht. Er verringert aber nicht direkt den Verkehr in den Wohnquartieren. Auch wird der Umfahrungstunnel mehr motorisierter Individualverkehr auf der Achse Oberägeri–Zug erzeugen, da die Verbindung schneller wird. 

 

Neben dem Landverbrauch fällt zudem die Abwertung bei der Ein- und Ausfahrt negativ ins Gewicht, insbesondere das Ostportal direkt am See wird keine Augenweide sein. Und da ist noch die Frage, wie denn die Mobilität in 20 Jahren aussieht: Liegt die Zukunft nach wie vor darin, dass man den Verkehr von den Zentren weg oder unter die Erde verlagert? Wie wird sich die Elektrifizierung auf unser Lärmempfinden auswirken?

 

Auf jeden Fall erreicht man mit einem Umfahrungstunnel nur dann einen spürbaren Nutzen für die allgemeine Bevölkerung, wenn im Zentrum eine radikale Verkehrsberuhigung umgesetzt wird, beispielsweise in Form einer grossflächigen Begegnungszone. Natürlich müssen in diesem Fall auch Massnahmen ergriffen werden, damit sich der Verkehr nicht auf die Quartierstrassen verlagert. Die Vorstellung, dass wir Einwohnerinnen und Einwohner aufgrund eines «entschleunigten» und für Autos unattraktiveren Dorfkerns vermehrt das Fahrrad nutzen oder zu Fuss die Einkäufe erledigen, macht es selbst für die grünliberale Partei schwierig, sich dem Tunnelblick zu entziehen.

 

Bericht: Raphael Weiss